„Die Kunstkammer von Cornelis van der Geest” nach einer komplexen Restaurierung wieder im Rubenshaus
„Die Kunstkammer von Cornelis van der Geest” ist nach einer gründlichen Restaurierung wieder nach Hause ins Rubenshaus in Antwerpen zurückgekehrt. Die Originalfarbschicht wurde freigelegt und gibt nun Details preis, die viele Jahre lang im Verborgenen schlummerten. Als größte Herausforderung erwies sich der Träger. Die Tafel litt Jahrhunderte lang unter internen Spannungen, die wiederholt zu Schäden führten. Es wurde ein maßgeschneiderter sekundärer Träger entwickelt und dabei eine innovative Technik aus der Luftfahrt verwendet. Mit der Rückkehr der „Kunstkammer von Cornelis van der Geest” endet auch die Ära von Ben van Beneden als Direktor des Rubenshauses. Er geht im September in den Ruhestand.
Die Kunstkammer von Cornelis van der Geest ist eines der Prunkstücke der Sammlung des Rubenshauses. Das Gemälde von Willem van Haecht steht auf der Liste der flämischen Spitzenstücke und ist Bestandteil des CODART Canon, einer Liste der 100 bedeutendsten Meisterwerke der nord- und südniederländischen Kunst (1350 – 1750).
Das Rubenshaus widmete dem Gemälde sowie dem einzigartigen Charakter der Kunstkammern 2009 die Ausstellung Kamers vol Kunst (Kammern voller Kunst). Die Kunstkammer von Cornelis van der Geest wurde speziell aus diesem Anlass restauriert. Im Fokus standen damals die Farbschicht und die Umrahmung. Um die Stabilität der Holztafel zu stärken, wurde das Gemälde mit einer Klimabox umgeben.
Restaurierung nach Restaurierung
Trotz dieser Maßnahmen erschienen 10 Jahre später an verschiedenen Stellen erneut größere und kleine Risse sowie Farbaufwölbungen. Das größte Problem verursachte der Träger. Die Tafel aus Eichenholz wurde aus sieben horizontalen und einem einzigen vertikalen Brett zusammengesetzt, die sich in entgegengesetzter Richtung ausdehnten und wieder zusammenzogen. Durch die komplexe Struktur entstanden Spannungen in der Tafel, die dann zu Rissen führten.
Aus Untersuchungen bei der Restaurierung ging hervor, dass die zentrale Fuge bereits im 18. Jahrhundert geborsten war. Im 19. und 20. Jahrhundert wurden verschiedene Versuche unternommen, die Tafel zu stabilisieren. Die Eingriffe führten leider jedoch zu einer weiteren Verschlechterung des Gemäldezustands. Um 1850 brachte man eine nicht-flexible Lattenstruktur - eine sogenannte Parkettierung - auf der Rückseite der Tafel an. Das System verhinderte jedoch das natürliche Ausdehnen und Zusammenziehen der Bretter und verursachte infolge wechselnder Witterungsumstände noch mehr Risse. 1970 wurde die Parkettierung durch Holzblöckchen ersetzt, die der beschädigten Tafel aber weder ausreichend Halt noch die notwendige Bewegungsfreiheit verleihen konnten, sodass erneut sichtbare Schäden in der Farbschicht auftraten.
Eine nachhaltige Restaurierung
Eine nachhaltige Lösung, die die Bewegungen der Tafel selbst berücksichtigt, drängte sich auf. Am 1. April 2019 verließ das Meisterwerk von Willem van Haecht deshalb das Rubenshaus in Richtung Koninklijk Instituut voor het Kunstpatrimonium (KIK) in Brüssel, wo es von der Expertin für Tafelbilder Aline Genbrugge untersucht und restauriert wurde. Da es sich bei dem Gemälde um ein flämisches Spitzenstück handelt, stellte auch die Flämische Gemeinschaft Fördermittel für die Restaurierung zur Verfügung.
Die Untersuchung und die Entdeckungen
Das KIK unterzog das Gemälde zuerst einer Reihe umfangreicher Untersuchungen, um das Zustandekommen und die physische Geschichte des Werks genau zu dokumentieren. Aus den multidisziplinären Untersuchungen - mit visueller Analyse, bildgebenden Verfahren (UV, IR, RX Scans), Laboruntersuchung und chemischer Bildgebung (MA-XRF Scan) - ging hervor, dass die Tafel bei der Anfertigung mit zwei Brettern vergrößert wurde. Man hatte sie während des Anbringens der Unterzeichnung hinzugefügt, die in diesem Augenblick auch geändert wurde. Die Bildgebung zeigt, dass fast jedes einzelne kleine Gemälde auf ein mise-en-carreau – eine Art Raster – gemalt wurde, um eine maßstabsgetreue Abbildung des Originals zu schaffen. Die Wissenschaftler konnten auch den Fluchtpunkt in der Kunstkammer identifizieren. Die unsichtbaren Perspektivlinien führen den Blick des Betrachters zu Rubens’ Amazonenschlacht, der diese Komposition vermutlich 1615 für Van der Geest gemalt hatte. Das Bild befindet sich jetzt in der Alten Pinakothek in München.
Die Restaurierung
In einer ersten Phase wurde das Gemälde von allen späteren Hinzufügungen befreit und die Farbschicht sorgfältig gereinigt, sodass die frischen ursprünglichen Farben wieder zu sehen sind. Alle späteren Hinzufügungen und Restaurierungen - die kleinen Latten an der Außenseite, die Holzblöckchen und die dicke Wachsschicht auf der Rückseite - wurden schrittweise entfernt. Auch die Fugen und Risse wurden gereinigt. Unter einigen alten Füllungen kam sogar die ursprüngliche Farbschicht wieder zum Vorschein. Dadurch erhielten die Augen von Willem van Haecht, der sich in der Türöffnung vermutlich selbst dargestellt hat, wieder ihre Originalfarbe. Nach der Reinigung wurden die Fugen und Risse verleimt und mit kleinen Stückchen einer weichen Holzart aufgefüllt, sodass kein zusätzlicher Druck auf die Bretter entstehen konnte.
Die größte Herausforderung des Restaurierungsverfahrens bildete jedoch zweifellos die strukturelle Unterstützung der Tafel, die eine kontrollierte Bewegung der Holzbretter ermöglichen sollte. Die Restauratorin Aline Genbrugge entwarf zu diesem Zweck einen flexiblen sekundären Träger mit sogenannten „tapped battens”, einem Prinzip aus der Luftfahrt. Dieses fortschrittliche, am Hamilton Kerr Institut (verbunden mit dem Fitzwilliam Museum) und der Universität von Cambridge entwickelte System soll optimale Flexibilität gewährleisten. Für die Kunstkammer wurde ein maßgeschneiderter Träger aus dem Holz der Sitka-Fichte entworfen. Diese Holzart ist aufgrund ihrer hohen Elastizität hervorragend dazu geeignet, die Bewegungen der Bretter aufzufangen, ohne sie dabei zu blockieren. Zum Schluss wurde auch die Farbschicht erneut restauriert und mit einer abschließenden Firnisschicht versehen. Das Gemälde konnte somit sowohl im Bereich des Trägers als auch der Farbschicht wieder stabilisiert werden. Ein flexibles Einrahmungssystem, das auch aus dem Holz der Sitka-Fichte angefertigt wurde, verleiht der Tafel maximale Bewegungsfreiheit. Die in den Rahmen eingearbeitete Klimabox schützt das Werk vor wechselnden Witterungsumständen. Ein drahtloser Datenlogger überwacht das Klima innerhalb der Box.
Dauerhaft erhalten für die Zukunft
Dank all dieser nachhaltigen Konservierungseingriffe konnte dieses flämische und internationale Spitzenstück des Rubenshauses nun sowohl im Bereich des Trägers als auch der Farbschicht erneut stabilisiert werden. Der flexible Träger sorgt in Kombination mit der Klimabox dafür, dass das komplex strukturierte Tafelbild fortan dem Zahn der Zeit widerstehen kann. Mit der Rückkehr der Kunstkammer von Cornelis van der Geest beginnen die letzten Wochen von Ben van Beneden als Direktor des Rubenshauses. Im September geht er in den Ruhestand.
Anlage Abschied von Direktor Ben van Beneden
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Nadia De Vree
Harlinde Pellens